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Newsletter September / Oktober

Der Herbst ist eigentlich die Zeit, in der ich mich auf meine nächste Reise nach Nepal, zu unseren Projekten vorbereite. Leider ist dieses Jahr alles anders, auf die Reise im Frühjahr musste ich verzichten und die Sponsorenreise, auf die ich mich besonders gefreut hatte, muss auf Herbst 2021 verschoben werden. Somit bleibt mir nichts anderes übrig, als Euch mit diesem Schreiben zu unserem Wirken in Nepal auf dem Laufenden zu halten.

  

Die Lage in Nepal ist verheerend. Seit über sechs Monaten ist das gesamte Leben in Nepal praktisch vollständig stillgelegt. Seit ein paar Tagen ist der zweite Lockdow aufgehoben und ausser den Schulen und dem internationalen Flughafen beginnt das Leben ausserhalb der eigenen vier Wände wieder sachte anzurollen. Doch die Lage präsentiert sich immer noch fast wie während des Lockdowns. Die Menschen haben Angst und wagen es nicht, sich wie vor der Pandemie zu bewegen. Viele Familien stehen ohne Einkommen da. Die Corona-Fallzahlen steigen immer noch tagtäglich. Beim ersten Lockdown im Frühling gab es fast keine Corona-Infizierte. Das Land hat sich abgeriegelt und wollte so einer Ansteckungsgefahr ausweichen. Aber die Lockerung im benachbarten Indien hat eine Riesenwelle von Heimkehrern mit Ansteckung gebracht. Und trotzdem, bei den nicht einmal 400 an Corona gestorbenen Patienten in Nepal kommen die fast 4000 Suizidfälle wegen Corona als das grössere Unheil dieser Pandemie auf. Nebst der Ansteckungsangst haben die Menschen riesige Sorgen, wie sie kurzfristig überleben können und wie sie wieder zu einem geregelten Einkommen kommen können. Viele Geschäfte sind bankrott und die Arbeitsplätze sind weggefallen. Die Zukunft ist für viele Leute mehr als nur unsicher. Die Regierung bietet keinerlei Hilfe an, ausser, dass die Staatsangestellten ihren Lohn während der ganzen Zeit erhalten haben. Die meisten anderen Einwohner verfügen aber seit Ausbruch der Pandemie über kein Einkommen mehr. Alle öffentlichen und privaten Verkehrsmittel stehen brach. Die gesamte Gastronomiebranche steht still, Trekkingunternehmen, Trekking-Führer und -Träger haben keine Arbeit, denn die Touristen fehlen. Die Schulen bekommen keine Schulgelder mehr, da die Regierung dazu aufgerufen hat, diese im Moment nicht zu bezahlen. Die Schulen, die trotzdem Unterricht von zu Hause aus anbieten, müssten aber auch die arbeitenden Lehrkräfte bezahlen und nebst dem gibt es noch andere Kosten. Das bringt die Schulleiter arg in Bedrängnis und eine Existenzangst ist überall zu spüren. 

 

Unsere Mount View Schule ist eine von zwölf privaten Schulen im ganzen Land, die Online-unterricht anbieten. Jetzt, da man im eigenen Quartier das Haus wieder verlassen darf, werden auch Arbeitsblätter vorbereitet und den vorbeikommenden Kindern oder Eltern abgegeben. Die Lehrer arbeiten sehr viel und sind äusserst engagiert. «Unsere» Kinder können zum Teil davon profitieren. Einige sind leider immer noch weit weg in den Dörfern, wohin sie vor dem ersten Lockdown im März zu Familien und Verwandten gefahren sind. Sie können im Moment nicht mehr zurück, da es bis vor ein paar Tagen keine öffentliche Transportmöglichkeiten gab und diese auch weiterhin nur sehr eingeschränkt den Betrieb wieder aufnehmen. Die Internet-Verbindung ist auch nicht immer gut und manche Familien besitzen keine gut funktionierende Mobilgeräte. Aber es freut mich immer wieder, wenn ich Bilder der Kinder, während dem online Unterricht aufgenommen, bekomme, die ich den Paten oder Patinnen unverzüglich weiterleite. HOPE hat auch Mütter, die auf Hilfe angewiesen sind, finanziell mit 150 Franken unterstützt.  

 

 

Die Berufsschule in Pokhara ist seit März geschlossen, doch der angestellte Bauer schaut gut zu unseren Büffeln und zu den Feldern. Auch Kanchi, unsere Abwartin an der Berufsschule, kümmert sich um die Gartenanlage und die Gebäude. Sie bekommen von uns weiterhin den Lohn ausbezahlt. Unsere Lehrmeister erhalten einen Teil ihres Salärs. Sie sind uns sehr dankbar dafür und freuen sich darauf, sobald die Situation es zulässt, wieder an der Schule die Kurse abzuhalten. Die Warteliste der Lehrlinge ist lang und sie wird sicher noch länger werden. Wir sind überzeugt, dass viele junge Leute nach dieser Krise lieber im eigenen Land etwas lernen wollen statt als billige Arbeitskraft in die Emirate zu reisen. Vor allem werden einige junge Menschen auf die Landwirtschaft setzen, denn das ermöglicht auch in Krisenzeiten ein gutes Überleben für die ganze Familie. 

 

Wann die Schulen wieder ihre Tore öffnen dürfen, ist noch unklar. Wir hoffen, dass dies nach dem Dashain Festival im November der Fall sein wird. Sobald es die Situation wieder zulässt, werde auch ich mich wieder auf den Weg nach Nepal machen und dort zusammen mit unseren Koordinatoren die Kinder und ihre Mütter und Väter motivieren, weiterzumachen. Bildung für alle ist auch während Krisensituationen wichtig. Wir möchten auch ein Konzept erarbeiten, wie wir die Mütter in Zukunft besser unterstützen können. Für einige erste Ideen sind wir bereits dran, die Machbarkeit zu prüfen.  Wir werden euch sobald als möglich darüber orientieren. Auch an der Berufsschule müssen wir Pläne und Konzepte erarbeiten, um einer noch grösseren Anzahl Studenten die Möglichkeit zur Berufsbildung zu geben. Eine heikle Frage wird dabei natürlich sein, wie weit wir den jungen Leuten Schulgelder erlassen können. Das könnte dazu führen, dass die Berufsschule erst später als geplant selbsttragend wird. Wir möchten auch willige Fachkräfte als Volontäre aus der Schweiz für ein paar Wochen an die Aasha Vocational School senden, um dort mit neuen Methoden unsere Lehrmeister zu unterstützen und weiterzubilden.  

 

Aber zuerst muss das Land aus diesem Pandemie Schock erwachen. Die Touristen müssen wieder kommen, um den Hotels, Restaurants, Trekking-Agenturen, Trekking-Mannschaften, Läden, öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxi-Unternehmen und vielen anderen einen guten Neustart zu ermöglichen. Nepal hat schon viele Krisen durchgemacht und ist immer wieder aufgestanden. Dazu braucht es aber unsere moralische und finanzielle Unterstützung. Wir geben diese Unterstützung unseren Kindern und Lernenden in Kathmandu und Pokhara sowie den ganzen Teams rund um unsere Schulen. Dafür danken wir euch von Herzen, dass ihr uns auch in dieser Krisenzeit unterstützt. 

 

Zusammen schaffen wir es, dass in Nepal bald wieder die Sonne scheint und alle glücklich und sorgenfrei in die Zukunft blicken können. DANKE!